Das können die Kommunen gegen die Folgen von Starkregen tun – Präventionsmaßnahmen

Weit vor allen bauplanerischen oder technischen Maßnahmen sollten die Kommunen eine umfassende Gefährdungsanalyse vornehmen – um mögliche Schäden einzuschätzen – und ein Risikomanagement für Starkregenereignisse erarbeiten.
Dazu zählen folgende Aufgaben:

  • Erstellung von Gefährdungskarten, Notfallplänen, Maßnahmenkatalogen
  • Einbindung aller relevanten Ressorts (z. B. Planungsämter), Verbände und Grundstücksbesitzer (u. a. Landwirte etc.)
  • Sensibilisierung für und Information über das Thema Starkregen

Orientierung können hier u. a. die Maßnahmen zum allgemeinen Hochwasserschutz bieten (Flächen- und Bauvorsorge, naturnaher Abflussrückhalt, technischer Überflutungsschutz, verhaltenswirksame Vorsorge etc.). Nachfolgend die einzelnen Maßnahmen im Detail.

28_-(5)

Administrative und organisatorische Vorsorgemaßnahmen

Ein interdisziplinär ausgerichtetes Risikomanagement bildet den Kern einer wirkungsvollen Vorsorge gegenüber Überflutungen infolge von Starkregen. Unter Federführung der Kommune sollten hier alle Vorsorgemaßnahmen gebündelt und koordiniert werden. Dazu gehören u. a.:

  • die ressortübergreifende Einbeziehung aller relevanten Stellen, Behörden, Unternehmen etc.
  • die Analyse und Bewertung möglicher Risiken
  • die Entwicklung und Umsetzung geeigneter Schutzmaßnahmen auf kommunaler und privater Ebene
  • die detaillierte Ausweisung von Risikogebieten
  • die Etablierung effektiver Notfallpläne
  • die Information der Öffentlichkeit

 

5_-(1)

Städtebauliche Vorsorgemaßnahmen

Ein wirksamer Schutz vor den Folgen des Starkregens beginnt bei der städtebaulichen und verkehrstechnischen Konzeption. Bereits bei der Planung und Genehmigung von Straßen und Bebauung sollten gefährdete Bereiche ausgespart und sogenannte Retentionsräume (Flächen, die vorübergehend größere Wassermengen aufnehmen können) vorgesehen werden. Im Idealfall handelt es sich dabei um bewachsene Naturflächen und Versickerungsanlagen.
Nur durch die frühzeitige Berücksichtigung können:

  • Fließwege freigehalten
  • Flutmulden angelegt
  • Rückhalteräume eingeplant
  • oder überflutungsgefährdete Bereich gänzlich von Bebauung freigehalten werden.

Durch Geländegestaltung und Festsetzungen von Gebäudehöhen kann bereits in dieser Phase aktiv Objektvorsorge betrieben werden. Wichtige Bausteine hierbei sind die Neu- bzw. Umplanung von Straßen, Wegen, Plätzen und sonstigen Freiflächen. Besonders gefährdete Flächen sollten gekennzeichnet werden, damit frühzeitig adäquate Schutzmaßnahmen getroffen werden können.
Bei der Bebauungsplanungsollten insbesondere berücksichtigt werden:

  • natürliche Wasserscheiden
  • mögliche Zuflüsse von angrenzenden Gebieten
  • Fließwege innerhalb des Plangebietes
  • natürliche Überflutungsgebiete

Darüber hinaus sind die Möglichkeiten zum zentralen und dezentralen Regenwasserrückhalt sowie einemultifunktionale Flächennutzung (z. B.: Nutzung landwirtschaftlich genutzter Flächen oder von Parkanlagen als Wasserspeicher) zu prüfen.



Regenwasserrigolen_Bj
17_-(2)

Technische  Vorsorgemaßnahmen

Öffentliches Kanalnetz

Die Unterhaltung des öffentlichen Entwässerungssystems gehört zu den vornehmlichen Aufgaben der Kommunen. Gemeinsam mit der Grundstücksentwässerung leisten sie so einen wesentlichen Grundbeitrag zum Überflutungsschutz.

Angesichts außergewöhnlicher Starkregenereignisse und der daraus resultierenden Schäden wird schnell die Forderung nach der Vergrößerung des Kanalsystems (Ableitungskapazitäten) und nach Rückhalteanlagen laut. Nüchtern betrachtet, ist dies weder nachhaltig oder wirtschaftlich ratsam noch – bei besonders heftigem Starkregen – ein nennenswerter Schutzgewinn. Außerdem wäre es nur eine Teillösung, denn die Abflüsse von Dächern und Straßen sind schon überlastet, bevor die Wassermassen den Kanal erreichen. Und größere Kanäle führen lediglich zu einer Verlagerung der Wassermassen – auch der größte Kanal endet irgendwann in einem Gewässer – im schlimmsten Fall werden dann die tieferliegenden Stadtteile oder Orte überflutet.

Für die Kanalnetzbetreiber gibt es weitaus effektivere Möglichkeiten, das mit dem öffentlichen Entwässerungssystem erzielbare Überflutungsschutzniveau optimal auszuschöpfen. Neben obligatorischen Pflichten wie der angemessenen Planung, dem Bau sowie der regelmäßigen Wartung und Pflege des Kanalnetzes empfehlen sich z. B.:

  • Bessere Ausnutzung vorhandener Speichervolumen durch gezielte Abflusssteuerung (Ableitung von Wassermassen in weniger belastete Speicherbauwerke bei lokal eng begrenztem Starkregen)
  • Schaffung von Notentlastungsstellen, über die das Wasser auf Freiflächen etc. abgeleitet wird
  • eine wasserdurchlässige Befestigung bzw. Entsiegelung von Flächen
  • eine Begrenzung der zulässigen Einleitwassermengen in die Kanalisation
  • ein dezentraler Regenwasserrückhalt auf Grundstücken in Mulden, Zisternen oder Senken
  • die Abkopplung von Freiflächen
  • Förderprogramme zur freiwilligen Umsetzung von Rückhaltemaßnahmen bzw. Regenwasserbewirtschaftung durch die Bürger, Unterstützung bürgerschaftlichen
  • Engagements
  • Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen
CD-355_DSC_2670

Straßen und Wege

Besonders bei extremem Starkregen dient die Straße nicht nur zur Ableitung von Regenwasser aus umliegenden Gebieten, sondern auch als vorübergehender Wasserspeicher. Dazu bedarf es allerdings beidseitiger (erhöhter) Bordsteine bei der Fahrbahn: Hier müssen die Belange des Überflutungsschutzes mit denen der Barrierefreiheit abgewogen werden.
Im Sinne einer optimalen Straßenentwässerung und Wasserführung empfehlen sich folgende Maßnahmen:

  • Entwässerung der Abflüsse über Böschungsschultern oder über Mulden / Kanäle zu Regenwasserversickerungsflächen
  • Einsatz von Versickerungspflaster (insbesondere auf Parkplätzen)
  • sachgerechte Positionierung der Straßeneinläufe und der straßenbegleitenden Rasenmulden
  • je nach örtlichen Gegebenheiten: gezielter Einsatz leistungsstarker Einläufe, um Oberflächenwasser schnell abzuleiten und leistungsschwacher Einläufe, um das Kanalnetz zu entlasten
  • Verzicht auf Randeinfassungen außerhalb von Ortschaften, um den Abfluss in Freiflächen zu ermöglichen
  • Schaffung von Notentlastungsstellen, über die das Wasser auf Freiflächen etc. abgeleitet wird
  • Oberflächenwasser mit Hilfe des Straßenraums geordnet und schadensarm ableiten
IMG-20120829-01157_Bj

Straßenentwässerung

Je höher die Fließgeschwindigkeit des Regenwassers auf der Straße ist, umso wichtiger sind Maßnahmen zur sicheren Wasseraufnahme, Ableitung und Zwischenspeicherung.

Hier kommen u. a. folgende Maßnahmen zur Straßenentwässerung in Betracht:

  • Einsatz leistungsstarker Einläufe
  • Begünstigung der Wasseraufnahme durch starkes Quergefälle der Straßenoberfläche
  • Hintereinanderreihung mehrerer Einläufe in Fließrichtung
  • Anlage eines parallelen Straßengrabens mit Einlaufbauwerk, Geröllfang und / oder Flutmulde
  • Einsatz einer oder mehrerer hintereinander angeordneter Querrinnen
  • Begünstigung der Wasseraufnahme durch leichte Aufkantungen oder Gegengefälle der in Fließrichtung anschließenden Straßenoberfläche
CD-150_0880_36_Reinhard-Felden

Unterführungen, Brücken und Tunnel

Insbesondere Senken oder Wannen unter Brücken oder Tunneln sollten entweder vermieden oder aber besonders vor Überflutung gesichert werden. Die bauwerksrelevanten Elektroinstallationen sollten außerhalb der Einstauzone liegen, Rettungswege könnten blockiert werden.

Gleiches gilt für Fußgängerunterführungen sowie U- und S-Bahnstationen. Hier lässt sich durch geeignete Oberflächengestaltung im Zugangsbereich viel erreichen, beispielsweise durch die Ausführung von Eingängen und den Treppenabgängen als Hochpunkte.

Frei- und Grünflächen

Frei- und Grünflächen mit vergleichsweise untergeordneter Nutzung sind ideal als Flutflächen geeignet. In Notfällen verhindern sie, dass weit größere Schäden an anderer, empfindlicherer Stelle auftreten. Normalerweise ist ihr vorrangiger Zweck durch die Nutzung im Starkregenfall kaum eingeschränkt. Bei kontrollierten Einstauhöhen können z. B. auch Parkplätze oder Straßen temporär verwendet werden. Diese Flächen sind mit nur geringem Aufwand multifunktional nutzbar – z. B. vorwiegend als Ort der Erholung und im Notfall als Rückhalteraum für Wassermassen.

Außengebietsentwässerung

Bei Starkregen und entsprechenden topografischen Gegebenheiten (z. B.: Gefälle des Geländes in Richtung des Ortes) können enorme Oberflächenabflüsse von Landwirtschafts-, Forstwirtschafts- oder sonstigen Außengebietsflächen über Gräben und Wege in das Siedlungsgebiet strömen und die Abflüsse verstopfen bzw. auf Gebäude zuströmen. Um dies zu verhindern, kommen eine Reihe von Maßnahmen zur Außengebietsgestaltung und -entwässerung in Betracht, darunter:

  • Anlage von Abfanggräben, Leitdämmen zur gezielten Wasserführung und Schutzwälle entlang der Siedlungsgrenze
  • Anlage von Flutmulden sowie Versickerungs-, Verdunstungs- und Rückhaltebecken
  • Nutzung des Speichervermögens natürlicher Bodenvertiefungen und Aktivierung früherer Teiche
  • Entwässerung land- und forstwirtschaftlicher Wege (z. B. Zuleitung zu Freiflächen mit hohem Versickerungsvermögen, Vermeidung von Hügeln oder Rasenwülsten am Wegesrand, Rückbau nicht mehr benötigter Wege)
  • überflutungsgerechte Konstruktion von Rohrsystemen und Einleitbauwerken mit effektivem Schutz vor Verstopfung durch Treibgut und Geröll
  • regelmäßige Inspektion, Wartung und Instandsetzung sämtlicher Entwässerungselemente
  • Abkoppeln von Außengebietsflächen, die an das Kanalnetz angeschlossen sind
  • Einrichtung und Freihaltung von Fließwegen und Flutflächen
  • Information von Anliegern und Betroffenen, insbesondere Landwirten

CD-12-2492_04

Land- und forstwirtschaftliche Überflutungsvorsorge

Mit der richtigen Gestaltung und Bebauung land- und forstwirtschaftlicher Flächen kann ein großer Beitrag zur Überflutungsvorsorge, speziell zum Abfluss- und Abschwemmungsrückhalt geleistet werden. Auch dabei gilt es, den Kosten-Nutzen-Aspekt und die Verhältnismäßigkeit im Blick zu behalten. Hier nur einige Beispiele:

  • Anbau von Pflanzen, die Wasser zurückhalten und Bodenerosion vermeiden
  • Vermeidung des Anbaus von Kulturen, die den Wasserabfluss eher fördern (z. B. Mais, Rüben usw.)
  • Beseitigung abfluss- und erosionsfördernder Parzellenzuschnitte
  • Stilllegung von Drainagen und Gestaltung nach rückhalteorientierten Gesichtspunkten
  • Umwandlung von Ackerflächen in Grünland oder Wald

Rückhaltungsorientierte Ackerbewirtschaftung

  • Ganzjährige Begrünung der Flächen durch Zwischen- und Winterfrucht
  • Abwechselnder, hangparalleler Anbau unterschiedlicher Kulturen
  • Alternative, konservierende Aussaatverfahren (z. B. pflugloses Mulchsaatverfahren)
  • Querbewirtschaftung / -pflügen von Hängen
  • Erhalt der natürlichen Bodenstruktur
  • Lockerung verdichtungsgefährdeter Böden (z. B. Tonböden)
  • Anlage von Grünstreifen in abflusskritischen Bereichen
  • Aufforstung brachliegender und abflussrelevanter Waldflächen
  • Anpflanzung laubbaumreicher Mischbestände

Vermeidung abfluss- und erosionsfördernder Linienelemente

  • Rückbau nicht mehr benötigter Wege, Gassen etc.
  • rückhalteorientierte Ausbildung unvermeidbarer Wege und Gräben

Überflutungsvorsorge an kleineren Fließgewässern (Bäche, Gräben etc.)

Einerseits verwandeln sich kleine Fließgewässer bei extremem Starkregen in reißende Ströme, andererseits sind sie die Strukturen, die das Wasser abführen. Um die von ihnen ausgehende Gefahr zu mindern und ihren Nutzen zu verbessern, gibt es u. a. folgende Möglichkeiten:

  • abfluss- und rückhaltungsorientierte Gewässergestaltung inner- und außerhalb von Ortschaften
  • Gewässerrenaturierung
  • Optimierung und ggf. bedarfsgerechte Vergrößerung von Engstellen (Rohre / Durchlässe)
  • Beseitigung von Abflusshindernissen
  • Schaffung und angepasste Gestaltung gezielter Austrittsbereiche und Notabflusswege
  • optimierte Konstruktion von Einleitbauwerken nach hydraulischen Kriterien
  • Einsatz dreidimensionaler Rechen (Gitter) gegen die Abflussverstopfung durch grobes Treibgut
  • Regelmäßige Inspektion, Wartung und Funktionspflege des Gewässersystems
  • Information und Sensibilisierung der Anlieger sowie aller betroffenen Stellen
17_-(3)